Die Stadt Comillas ist einer der symbolträchtigsten Orte der nordspanischen Region Kantabrien und aus architektonischer Sicht einer der interessantesten. Comillas hat zwar mittelalterliche Wurzeln, aber es wird von Bauten der Gründerzeit und des Jugendstils dominiert, darunter der Sobrellano-Palast und das Pantheon de Sobrellano, die Päpstliche Universität und natürlich das brillante El Capricho des katalanischen Architekten Antoni Gaudi.
Wie die Königsfamilie nach Comillas kam
Antonio Lopez y Lopez war 1931 nach Kuba emigriert, wo er sich dank zahlreicher Firmengründungen, zu deren Geschäften leider vermutlich auch der Sklavenhandel gehörte, und der zwischenzeitlichen Heirat mit der reichen Katalanin Luisa Bru Lassús, großen Wohlstand aneignete. Mit Tabakproduktion und -handel aber auch mit Banken und einer transatlantischen Schifffahrtslinie hat er seinen Erfolg gemacht. (s. auch das Kapitel „Die Witwen der Lebenden und Toten“)
Zurückgekehrt als reicher Geschäftsmann und Freund der spanischen Krone beschließt er, sich seiner Heimatstadt Comillas zuzuwenden und diese zu gestalten. Er lädt König Alfonso XII ein, dort seinen Sommerurlaub zu verbringen. Durch die wiederholten Besuche der Königsfamilie zieht Comillas die Aufmerksamkeit zahlreicher Aristokraten und reicher Bürger auf sich, was die weitere Entwicklung der Stadt und ihrer architektonischen Gestaltung beträchtlich beeinflussen wird.
Um den Besuch des Königs gebührend zu zelebrieren, wird Comillas als erste Stadt Spaniens mit elektrischer Straßenbeleuchtung ausgestattet und das, nachdem die Beleuchtung erst ein Jahr vorher von Thomas Edison patentiert wurde! Das Mäzenatentum des mittlerweile zum Marqués de Comillas ernannten Antonio Lopez y Lopez´ und seines Sohnes bringt Künstler der Modernismus wie Antonio Gaudí oder Luís Domènech i Montaner in die Stadt. Es entstehen Bauwerke wie der Palacio de Sobrellano, das Capricho de Gaudí oder die Antigua Universidad Pontificia.
Durch diese “königliche Aufwertung” des Ortes wurde Comillas zu einem beliebten Badeort der spanischen Aristokratie. Auch heute noch sind die Badeorte in Asturien im Sommer beliebte Ferienorte der Madrilenen.
Die Sehenswürdigkeiten:
Palacio de Sabrellano und Panteón de Sobranello
Der Sobrellano-Palast, auch bekannt als Palast des Marquis von Comillas, war das Werk des katalanischen Architekten Joan Martorell, der ihn im Auftrag des ersten Marquis von Comilla erbaute. Martorell war ein Kommilitone von Antoni Gaudi. Der Palast ist leicht verwittert und wirkt mit seinen rötlichen Steinen ein wenig geheimnisvoll. Die Arbeiten wurden 1888 abgeschlossen. Das mächtige neogotische Gebäude enthält englische, venezianische und mozarabische Details und diese Mischung gefällt nicht unbedingt jedem Kunstliebhaber. Das Gebäude hat einen rechteckigen Grundriss und ist im Inneren mit Möbeln von Antoni Gaudi und Gemälden von Eduard Llores ausgestattet. Draußen gibt es Skulpturen vom Barockkünstler Joan Roig. Neben dem Palast befindet sich das Panteón de Sobranello, eine Kapelle errichtet ebenfalls von Martorell. Die Einrichtung stammt vom jungen Antoni Gaudi.
Antigua Universidad Pontificia
Sie ist eine päpstliche Universität, die durch den Heiligen Stuhls errichtet wurde und unter dessen direkter Aufsicht steht, und eine der berühmtesten akademischen Institutionen in Spanien. Die Gründung erfolgte am 16. Dezember 1890 durch Papst Leo XIII. als katholisches Seminar für die Priesterausbildung.
Im Jahr 1968 wurde der vollständige Umzug der Einrichtung nach Madrid entschieden. In Comillas behält die Universität aber zwei Campus-Einrichtungen, eine im 1908 gegründeten Instituto Católico de Artes e Industrias (ICAI), das als Zentrum für technische Studiengänge fungiert, und eine im Instituto Católico de Administratión e Dirección de Empresas (ICADE), dem Zentrum für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften mit rund 13.000 Studierenden.
Die Villa Quijano,
Die Villa Quijano, auch bekannt unter dem Namen El Capricho („Die Laune“), ist ein bekanntes Bauwerk des Architekten Antoni Gaudi.
Bei diesem Bauwerk handelt es sich um ein Sommerlandhaus. Auftraggeber war der vermögende Geschäftsmann Don Máximo Díaz de Quijano, der es aber leider nicht vollendet sah, da er kurz vor der Fertigstellung starb. Das Gebäude wurde von 1883 bis 1885 errichtet und zeigt neben einigen frühen Elementen des Modernisme vor allem deutliche Anleihen an den Mudéjar-Stil.
Herausstechendes Merkmal der Villa ist der zylinderförmige Aussichtsturm über dem Eingangsportal, das wiederum auf vier runden Säulen ruht. Der Turm ist mit bunten Keramikfliesen verkleidet. Die Fliesen mit ihrem Sonnenblumen-Muster finden sich auch auf der übrigen Fassade wieder, wo sie das Sichtziegelmauerwerk als waagerechte Bänder gliedern. In der Symbolik des Gebäudes sind aber nicht nur Anspielungen an die Natur, sondern auch an die Musik zu finden. So sind z. B. an den Gegengewichten der Vertikal-Schiebefenster Metallblättchen befestigt, die beim Bewegen Musik ertönen lassen. So liegt immer ein leises Klingeln in der Luft.
Gaudí hat die Villa nie selbst gesehen und überließ die Ausführungen vor Ort seinem Studienfreund Cristóbal Cascante.
Friedhof von Comillas
Der Friedhof, von Luis Domenech y Montaner 1893 gestaltet, befindet sich auf den Ruinen einer alten Kirche. Der Architekt entwarf die Friedhofsmauer mit ihrem Haupteingang, den Türmchen und Kreuzen. Die Marmorskulptur des Vernichtungsengels stammt von José Llimona (1894-1985). Der Ángel Exterminador gilt als das Wahrzeichen von Comillas.
Iglesia de San Christóbal
Der Bau der Kirche begann Mitte es 17. Jh.s, wurde aber erst 1831 fertiggestellt. San Christóbal hat eine besondere Geschichte. Die Bürger der Stadt nehmen ihre Einrichtung nämlich kurzerhand selber in die Hand, nachdem das Gefolge des Herzogs von Infantado sich geweigert hatte, beim Gottesdienst eine Bank mit ihnen zu teilen. So stellte jeder Bürger, der dazu in der Lage war, seine Arbeitskraft einmal in der Woche zur Verfügung. Außerdem kümmerten sich die Bürger auch um die Finanzierung. Überraschend für die Besucher ist der schlichte weiße Innenraum ohne irgendwelche Dekorationselemente.
Zusätzlich findet man in Comillas zahlreiche Gebäude der „Indianos“, jener Gruppe von Auswanderer, die in Südamerika reich geworden, wieder in ihre Heimat zurückkehrte ebenso wie prächtige Häuser spanischer Aristokraten und Großbürger.
Unterwegs auf dem Jakobsweg, Weltbild, München 2019