Auf unsere Rückreise haben wir Station in Saragossa gemacht. Natürlich gehörte zur Stadtbesichtigung auch ein Besuch des Goya-Museums dazu. Francisco de Goya (1747-1828) war ein berühmter spanischer Maler und Graphiker des Barock. In einem seiner Aquatinto-Zeichnungen stoßen wir auf Bilder von Äsop.
Wer war Äsop? Äsop war ein antiker griechischer Dichter von Fabeln und Gleichnissen, der wahrscheinlich im 6. Jahrhundert v. Chr. lebte. Die Fabeln sind von aufgrund der von ihnen vermittelten Lebensweisheiten bis in die heutige Zeit ein allgemein beliebter Lesestoff geblieben.
Für Goya hatte dieser Dichter anscheinend eine besondere Bedeutung, sonst hätte er ihn wohl kaum gezeichnet. Normalerweise wären wir wohl achtlos an dem Bild vorbeigegangen. Doch einige Tage zuvor ist mir eine Fabel von Äsop eingefallen, die viele von uns schon einmal gehört haben und die – so finde ich – noch immer sehr aktuell ist. Fairer Weise muss ich zugeben, dass ich damals auch erst googeln musste, von wem diese Fabel, die ich im Kopf hatte, stammte.
Hier die Geschichte:
Wir kamen auf unserem Weg an einer hohen Steinmauer vorbei, an der sich ein Kletterwein mit Trauben hochrankte. Da die unteren Trauben schon geerntet waren, hingen nur noch ganz oben einige blaue Früchte. Leider waren wir zu klein, um sie zu erwischen. Bei unseren missglückten Versuchen fiel mir dann diese Fabel vom Fuchs und den Trauben ein.
Der Fuchs und die Trauben
(hier übernommen von Christiane Lochmann , https://www.zitronenbande.de/der-fuchs-und-die-trauben/)
An einem warmen Tag im Spätsommer streifte ein Fuchs stolz durch die Landschaft. Sein rotbrauner Pelz glänzte in der Sonne und ein leichter Wind wehte durch die umstehenden Büsche.
Links und rechts zwitscherten ein paar Vögel in den Bäumen und alles schien friedlich und ruhig. Der Fuchs war auf der Suche nach etwas Essbarem und ließ seinen Blick aufmerksam durch die Gegend schweifen.
Sein Magen grummelte fürchterlich, da er den ganzen Tag über noch nichts gegessen hatte. „Ich brauche unbedingt etwas zu Essen, sonst verhungere ich noch!“, dachte der Fuchs.
Plötzlich erblickte er eine prächtige Weinrebe, die am Dach des alten Bauernhofs wuchs. Die unzähligen Weintrauben daran funkelten in kräftigem Blau in der Sonne. „Oh ja – das ist jetzt genau das Richtige!“, jauchzte der Fuchs und rannte zum Bauernhof.
Dort angekommen konnte er beobachten, wie die kleinen Meisen und Amseln eine Traube nach der anderen naschten. Die kleinen Vögel konnten überhaupt nicht genug von den Trauben bekommen – so gut schienen sie ihnen zu schmecken.
„Na warte – jetzt hole ich mir auch ein paar Trauben. Das ist doch eine Leichtigkeit für mich!“, dachte der Fuchs und nahm einige Schritte Anlauf. Mit einem großen Satz sprang er in die Höhe und griff mit seiner Pfote nach den Trauben.
Doch der Fuchs sprang nicht hoch genug. Er verfehlte die leuchtend blauen Trauben und landete mit leeren Pfoten wieder auf dem Boden.
„Da habe ich wohl zu wenig Anlauf genommen.“, dachte er. „Noch zwei, drei Schritte mehr und ich werde die ganze Weinrebe in meinen Pfoten halten“
Und so nahm der Fuchs erneut Anlauf und sprang in die Höhe. Doch auch beim nächsten Versuch griffen seine Pfoten wieder ins Leere. Erneut landete er ohne Weintrauben auf dem Boden. Verärgert versuchte es der Fuchs wieder und wieder. Doch jeder seiner Versuche ein paar Trauben von der Weinrebe zu pflücken missglückte.
Eine halbe Stunde später hatte der Fuchs unzählige Versuche gewagt und war vollkommen außer Atem. Doch seine Pfoten blieben leer. Voller Wut und Trotz schnaubte er: „Pah! Wenn die Trauben wenigstens reif und süß wären, würde ich mich ja richtig anstrengen. Aber diese sauren Trauben sind meine Mühe überhaupt nicht wert!“
Die Meisen und Amseln waren die ganze Zeit über vollkommen unbeirrt vom Treiben des Fuchses und naschten eine Traube nach der anderen. Der stolze Fuchs wandte sich mit leeren Pfoten und grummelndem Magen ab und streifte weiter durch die Landschaft.
Was ist die Moral der Fabel “Der Fuchs und die Trauben”?
Was ist also die belehrende Absicht dieser Fabel? Zum einen zeigt sie, dass es für uns ganz natürlich ist, etwas abzulehnen oder zu verachten, das nicht in unserer Reichweite ist oder sogar dass man oft das hasst, was man nicht haben kann. Manchmal muss man aber akzeptieren, dass Dinge außerhalb unserer Reichweite liegen.
Zum anderen wird verdeutlicht, dass manche Menschen ihr Scheitern im Nachhinein lieber auf die Umstände schieben, als die wahren Ursachen zu benennen.
Manchmal schieben wir viel zu schnell die Verantwortung für unseren Misserfolg auf andere, um nicht über unseren Anteil nachdenken zu müssen. Der Mechanismus hilft uns mit dem Gefühl des Scheiterns umzugehen. In der Psychologie wird ein solches Schönreden eines Versagens auch als Rationalisierung oder Kognitive-Dissonanz-Reduktion bezeichnet.
Die Geschichte betont somit die Bedeutung von Selbstreflexion und die Wichtigkeit, gegebenenfalls unsere Ziele zu überdenken. Sie ermutigt uns auch Misserfolge zu akzeptieren und daraus zu lernen, um so mit Enttäuschungen umzugehen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Fuchs_und_die_Trauben
www.zitronenbande.de/der-fuchs-und-die-trauben/)