Bevor wir den Camino Aragones in Angriff nahmen, hatte ich versucht meine Spanischkenntnisse ein wenig aufzufrischen. Aber ehrlich gesagt, sie blieben ziemlich rudimentär. Also nahmen wir einen kleinen Sprachführer mit, der uns die nötigen Hilfestellungen geben sollte. Als ich am ersten Abend den Führer ganz willkürlich an einer Stelle aufschlug, sprang mir ein Wort ins Auge „Animo“ übersetzt mit „Nur Mut“. Überraschend, dass ein solches Wort in einem allgemeinen Sprachführer erwähnt wird. Doch es passte so gut zu unserer Wanderung, dass „Animo“ zum Leitspruch unseres Caminos wurde.
Bedingt durch unser Alter, die doch schwierigen persönlichen Veränderungen in unserem Leben, die im Gegensatz zu den anderen Caminos geringe körperliche Vorbereitung wurde auf dem Camino Aragones manchmal einiges an Konzentration, Anstrengung und auch Mut von uns abverlangt.
In den Pyrenäen war der Weg aufgrund des vielen Starkregens in den Tagen und Wochen zuvor zum Teil recht ausgewaschen, so dass schmale Wege, viele glitschige Steine und große Tritte nach unten schon eine rechte Herausforderung waren.
Auch der Abstieg vom Kloster St Jean de la Pena war nicht ohne! Da in den Foren schon auf die Schwierigkeit hingewiesen wurde, hatten wir zunächst vor, die Straße zu benutzen. Dies wäre aber ein großer Umweg gewesen also dachten wir: „Nur Mut“. So sind wir den kleinen Fußweg abwärts gegangen, der wirklich sehr steinig, schmal und an einigen Stellen vorsorglich mit Seilen gesichert war. Dank unserer Bergerfahrung war es nicht einfach aber doch gut zu meistern.
Und manchmal ist es auch die eigene Überschätzung, die einen nötigten mit animo weiterzugehen, um die letzten Kilometer bis zur Herberge zurückzulegen. Waren wir, was die Distanzen zwischen unseren Etappen betraf, am Anfang noch recht vorsichtig, trauten wir uns von Tag zu Tage mehr zu, zumal auch der Rucksack plötzlich viel leichter wurde, obwohl sich am Inhalt nichts geändert hatte! So dehnten wir die Länge unserer Etappen zwar aus, ohne allerdings genau das Höhenprofil anzuschauen. Kilometer ist halt leider nicht im gleich Kilometer, was die Anstrengungen und Herausforderungen betrifft!
Gerade diese Herausforderungen sind es, die den Weg ausmachen und ein fröhliches „Animo“, das wir uns dann zuriefen, ließ uns jede Anstrengung gut meistern.
Hier vielleicht noch eine Anmerkung: wenn ich manchmal die Fragen in den Foren lese und die Ängste und Unsicherheiten anschaue, die Menschen bei der Planung eines Camino bewegen, dann denke ich oft, „Nur Mut!“, ihr schafft das schon, aber ihr könnt nicht alles absichern und vorausplanen. Pilgern heißt doch auch das Vertraute zu verlassen und Veränderung zuzulassen. Jeder Weg hat seine Unwägsamkeiten – und das ist gut so, denn das macht den Weg aus. Es ist einfach Hunderten von Leuten hinterherzulaufen, aber es verlangt Mut, seinen eigenen Weg zu gehen und spontan mit Schwierigkeiten klar zu kommen. Je mehr einem das gelingt, um so stärker kommt man von diesem Weg zurück, umso mehr Zutrauen hat zu sich und dem Leben!
Ich habe in einem Buch folgenden Spruch gelesen, der mir aus dem Herzen spricht:
Angst lebt im Kopf, Mut im Herzen.
Es kommt nur darauf an, von einem zum anderen zu kommen!