Auch wenn der Weg nach San Juan de la Pena und Santa Cruz de la Seros ein „Umweg“ ist, so sollte man sich doch als Pilger – wenn möglich – für diese Variante entscheiden, um diese Kleinode auf dem Jakobsweg aufzusuchen.
Das mittelalterliche Kloster befindet sich südwestlich der Stadt Jaca in der sogenannten Sierra San Juan de la Peña. Das Berggebiet wurde 1920 zum Landschaftsschutzgebiet ernannt. Hier in einer engen Schlucht unter einem weit herausragenden Bergüberhang liegt versteckt das Kloster. Die Anlage öffnet sich in etwa nach Norden, so dass sie kaum direktes Sonnenlicht erhält. Diese Lage unter einem Felsüberhang ist einzigartig. Das anstehende Gestein ist ein sehr weiches rötlichen Konglomerat, das das Ausschwemmen von Höhlen und die Bildung der Überhänge begünstigte und das somit auch gut bearbeitbar war.
Geschichtliche Entwicklung
Unter einem großen Felsüberhang liegt versteckt und vor der Witterung geschützt das ehemalige Kloster des hl. Johannes vom Felsen. Westgotische Flüchtlinge verschanzten sich hier nach der Zerstörung ihres Reiches (711) und errichteten eine bescheidene Festung, die aber von den Mauren wieder zerstört wurde. Im 8. Jh. soll sich hier der Eremit Juan de Atares zurückgezogen haben. Wie so häufig schlossen sich solchen Eremiten andere Gläubige an. Und so soll es seit der Mitte des 9. Jh. hier ein Benediktinerkloster gegeben haben. Sancho Garces III. (1030 – 1050) förderte das Kloster und ein großer Teil der heute noch erhaltenen Gebäude wurden in dieser Zeit errichtet. Seit dem 10. Jh. wurden hier auch zunächst die Herrscher Navarras beigesetzt.
Im 11. Jh. erstarkte die Abtei und wurde u.a. auch durch Schenkungen der Könige von Navarra zu einem mächtigen Kloster. San Juan de la Peña war damals ein Zentrum von Wissenschaft und Kultur in Aragonien. Besonders bedeutend war das Skriptorium des Klosters. Hier entstand in dieser Zeit unter anderem eine 194 Blatt umfassende Abschrift der Bibel auf Pergament, das älteste erhaltene Bibelmanuskripts aus Aragon. Am Ende des 11. Jahrhunderts erlangte das Kloster seine größte Bedeutung. Nun wurde es auch zur Begräbnisstätte der Könige von Aragon, während seit dem 10. Jh. hier bereits die Herrscher Navarras beigesetzt wurden.
Gestaltung
Die alte Höhlenkirche des Klosters ist zweistöckig. Die beiden Ebenen sind aber nicht miteinander verbunden. Jede der Ebenen bildet einen eigenen Kirchenraum. Die untere mozarabische Kirche wurde um ca. 920 erbaut und ist zweischiffig mit zwei Apsiden. Die mozarabische Architektur bezeichnet den Baustil präromanischer Gebäude, die von Mozarabern errichtet werden. Mozaraber sind Christen, die von der Kultur des Islams geprägt waren. In der Kirche finden sich auch noch Reste romanischer Wandmalereien aus dem 11. Jh. Vor der Unterkirche liegt das Dormitorium, der Schlaftrakt der Mönche, der im 11. Jh. dazukam.
Die über der alten Kirche liegende Oberkirche stammt aus der zweiten Hälfte des 11. Jhs. Es wird angenommen, dass die Zahl der Pilger, die hier am Jakobsweg Halt machten, so groß war, dass man eine weitere Kirche errichtete. Der Ostteil dieser hohen einschiffigen Kirche mit drei Apsiden ist in den gewachsenen Felsen gehauen. Die Decke wird ebenfalls teilweise aus dem gewachsenen Stein gehauen. So ist hier eine Kirche entstanden, in der von der Natur geformter Stein mit von Menschen aufgebauten Teilen zusammenfließt. Licht fällt nur durch ein großes Fenster an der Westseite in die Kirche. Die leichte Bogenkonstruktion, die die Apsiden umläuft und sie miteinander verbindet, lässt einen fast vergessen, dass man sich unterhalb einer überhängenden Felswand befindet.
Aus der Oberkirche führt ein Portal des 10. Jh. mit Hufeisenbogen zum Kreuzgang. Der Kreuzgang, der aus dem 12. Jh. stammt, liegt ganz wettergeschützt unter dem Felsüberhang, der ihm als Gewölbe dient und besteht nur aus Bogengalerien. Die Kapitelle des Kreuzgangs sind bedeutende Kunstwerke der Romanik. Die ältesten stammen vom Ende des 11. Jh. und zeigen fantastische Tiere sowie geometrische und pflanzliche Motive. Die zweite Gruppe von Kapitellen stammt vom „Meister von San Juan de la Pena“. Sein Name ist uns nicht bekannt. Die Kapitelle wurden Ende des 12. Jhs geschaffen und zeigen verschiedene Szenen aus der Bibel. Sie sind voll ausgestaltet, die Figuren sind sehr kompakt mit zum Teil stark betonten Augen und Mündern. Der Eindruck wurde ehemals durch kräftige farbliche Fassungen noch verstärkt.
Aus der Oberkirche führt ein Portal des 10. Jh. mit Hufeisenbogen zum Kreuzgang. An den Kreuzgang sind zwei Kapellen angeschlossen, eine im Stil der Spätgotik, die andere im klassizistischen Stil. Die Königsgruft ist ebenfalls eine zweigeschossige Anlage. Zahlreiche Könige von Aragon und von Navarra wurden dort über einen Zeitraum von fünf Jahrhunderten bestattet. Später blieben nur die Grablege der aragonesischen Könige an diesem Ort.
Es handelt sich bei dem alten Kloster um einen einzigartigen mystischen Ort, an dem Geschichte, Kultur und Natur auf besondere Weise zusammenspielen und sich vereinen. „Genie de lieu“ nennen die Franzosen so einen Ort, der etwas ganz eigenes und Besonderes atmet. Mir gefällt dieser Ausdruck! Für Nooteboom ist es einer der Ort, die er noch einmal sehen wollte, bevor er sterbe.
Die Kapitelle erzählen den Mönchen, die hier im Kreuzgang meditierten, religiöse Geschichten. Romanische Kapitelle und Tympana sowie andere Schnitzereien erzählen Geschichten, aber eigentlich rufen sie Geschichten hervor, die der Betrachter bereits kennen sollte. Der Steinmetze, der das Kapitell schnitzt oft unter Anleitung des ranghöchsten geistlichen Beamten, der die Arbeit in Auftrag gibt, vermittelt wichtige visuelle Elemente einer Geschichte. Die Erzählung ist in einer Szene oder einem Tableau zusammengefasst und erinnert den Betrachter an eine bestimmte Botschaft, die für seinen Glauben wichtig ist.
Hier eine kurze Beschreibung der drei Kapitelle, die auf dem ersten Bild zu sehen sind:
Auferstehung des Lazarus
Hier ist eine Darstellung der Auferweckung des Lazarus durch Christus. An der kreuzförmigen Heiligenscheinfigur in der rechten Ecke erkennen Sie, dass es sich um Christus handelt. In seiner linken Hand trägt er einen Stab mit einem Kreuz darauf und gestikuliert mit seiner rechten Hand segnend. Die beiden Figuren hinter dem Leichnam sind Maria und Martha. Ihre Hände gestikulieren zum Gebet. Der Leichnam des Lazarus ruht auf einem Sarkophag und ist in ein Leichentuch gehüllt.
Einzug in Jerusalem
Dieses Kapitell zeigt den Einzug in Jerusalem (von den Christen als Palmsonntag gefeiert), bei dem Christus auf einem Esel in die Stadt reitet und von seinen Anhängern wie ein zurückkehrender König behandelt wird. In der Mitte des Kapitells legt ein Anhänger seinen Mantel vor dem Weg des Esels nieder. Es ist eine Geste der Demut, des Dienstes, des „Wegesbereitens“, die bei den Mönchen Anklang gefunden haben dürfte.
Das letzte Abendmahl
Beim letzten Abendmahl sehen wir, wie Jesus einen Apostel füttert, während er versucht, den Fisch auf dem Tisch zu fangen. Der heilige Johannes erscheint auf Christus liegend.
Neben weiteren Szenen aus dem neuen Testament, u.a. noch die Fußwaschung eines Leprakranken oder die Verkündigung, gibt es auch Szenen aus dem alten Testament wie der gefallene Adam oder Adam und Eva., die arbeiten. Eine genaue Beschreibung des Klosters und der Kapitelle im Kreuzgang findet man bei diezarnal.com.
Sagen und Legenden
Das ist sicher auch ein Grund, warum im Laufe der Jahrhunderte viele Sagen und Legenden um dieses Kloster entstanden sind. Unter anderem versuchen einige Historiker mit eher pseudowissenschaftlichen Erläuterungen zu belegen, dass sich im Kloster San Juan de la Pena im Mittelalter der heilige Gral befunden haben soll. Laut den Klosterurkunden, deren älteste aus dem Jahre 1134 stammt, verehrten die Pilger an diesem Ort die Reliquie des Santo Caliz als den Heiligen Gral, hier in Form eines Kelches, der heute in Valencia aufbewahrt wird. Angeblich gibt es zwischen dem Ort und Kloster San Juan de la Pena und der Gralsburg, an dem sich der Heilige Gral befinden soll, zahlreiche Parallelen. Hierbei wird von einigen Historikern auf die Beschreibung von Wolfram von Eschenbach in seinem Parsifal zurückgegriffen. Allerdings beanspruchen auch andere Orte in England und Frankreich das Recht, der Ort zu sein, an dem sich der Gral befindet. Zudem ist weiterhin umstritten, um was für einen Gegenstand es sich bei dem Gral überhaupt handelt – ist es ein Kelch, ein einfaches Trinkgefäß oder ein Stein?
Das neue Kloster
Wegen der ungünstigen Lage des alten Klosters (Düsteres Licht, Feuchtigkeit, schadhafte Stellen) wurde es nach einem verheerenden zweiten Brand im Jahre 1675 nicht mehr am historischen Ort aufgebaut, sondern etwa 100 m höher, auf der über dem Überhang gelegenen Hochfläche von San Indalecio, die klimatisch günstiger war und auch sehr viel mehr Platz bot. Das neue 1714 fertig gestellte Kloster wurde auf dem Hochplateau über dem alten Kloster in barocken Stil erbaut, reich ausgestattet und mit zahlreichen Nebengebäuden versehen. Es besaß neben den üblichen Einrichtungen für die Mönche einige Schreibzimmer, umfangreichen Gästezimmern, eine Krankenstation, eine Apotheke sowie Kornkammern und Weinkeller. Durch den spanischen Unabhängigkeitskrieg und die Säkularisation der Klöster Anfang des 19. Jahrhunderts ist heute davon nicht mehr viel übrig. Von 1999 bis 2007 wurde die übrig gebliebenen Gebäude grundlegend saniert: Ein Luxushotel, ein Zentrum zur Geschichte des Königreichs Aragon und eines zur Geschichte des Klosters entstanden in den alten Mauern.
Besonders schön ist der alte markierte Pilgerweg, der hinter Santa Cruz beginnt und durch den Wald und unter Felsen dorthin führt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Bartgeier, Steinadler und Alpenkrähen zu sehen, ist ziemlich groß, die Aussicht auf die Pyrenäenkette wunderschön. Allerdings müssen hierbei ca. 600 hm überwunden werden.
Ebenso anstrengend und lohnend ist auch der Anstieg von Jaca über Arres aus. Auf jeden Fall muss man, wenn man San Juan de la Pena besuchen will, einen zusätzlichen – aber lohnenden – Tag auf diesem Pilgerweg einplanen.
Dietrich, Hallhuber, Werner Schäftke, Der spanische Jakobsweg, Landschaft, Geschichte und Kunst, Köln 1999