El Cid – eine Legende, die weiterlebt

Camino del Norte, Camino Primitivo, Via Tolosana

Viele Länder haben einen Nationalhelden, z. B. Frankreich Jeanne d´Arc, Indien Mahatma Ghandi, Südafrika Nelson Mandela, die Schweiz vielleicht Wilhelm Tell und Spanien eben El Cid. Er gilt u.a. als Symbol für die Einheit Spaniens, für den Sieg der Christenheit über den Islam auf der Iberischen Halbinsel, für selbstlose kriegerische Tapferkeit. War er das wirklich oder ist El Cid nur ein Mythos?

Wer ist dieser “El Cid”,  mit eigentlichem Namen Rodrigo de Vivar?

Herkunft und Aufstieg

Er wird um 1043 geboren, in dem Ort Vivar in der Nähe von Burgos in Kastilien. Das genaue Datum seiner Geburt ist nicht bekannt. Dank seines Vaters, der von niedrigem Adel ist, genießt er eine gute Erziehung, neben Jagen, Reiten und Waffengebrauch gehört auch Schreiben und Lesen dazu. Seine Karriere beginnt er 1058 als Page am Hof von König Ferdinand I. von Kastilien und hier wird er auch in den Ritterstand erhoben.

Nach dem Tod von Ferdinand 1065 wird das Reich unter seine drei Söhne aufgeteilt. Der Freund und Förderer Rodrigos Sanchos II. besteigt den Thron Kastiliens, Alfons wird König von Leon und Garcia erhält das unbedeutendere Galicien. Allerdings kommt es schon bald zu einem mörderischen Krieg zwischen den Brüdern mit dem Ergebnis, dass Sanchos die Teilbereiche 1071 wieder unter seine Herrschaft vereinigt. Rodrigo hat als militärischer Berater des Königs und als Ausbilder der Milizen großen Anteil am Sieg Sanchos.

Dieser stirbt allerdings relativ bald durch einen Verräter und sein Bruder Alphons VI. übernimmt die Herrschaft in Kastilien. Rodrigo bleibt zunächst am Königshof, obwohl er nicht mehr der Bannenträger des Königs ist, da dieser ihm misstraut. Er heiratet mit Billigung des Königs im Jahr 1075 die asturische Adelige Jimena, was für ihn gleichzeitig mit einem gesellschaftlichen Aufstieg verbunden ist.

Entgegen der späteren Geschichtsschreibung gibt es zu dieser Zeit noch keine gezielte Reconquista. Vielmehr bekämpfen sich die christlichen Reiche untereinander ebenso wie die muslimischen Taifas. Sie gehen auch zur Durchsetzung ihrer Ziele gegenseitige christlich-muslimische Bündnisse ein. Das erklärt auch die folgenden Ereignisse.

By photographer: ElCaminodeSantiago09 2006 - https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/14/Monumento_al_Cid_%28Burgos%29_01.jpg, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27939493

Verbannung

Im Jahr 1081 kommt es zu einer entscheidenden Wende im Leben Rodrigos. Er wird von Alfons VI. aus dem Königreich Kastilien verbannt, da er einige eigenmächtige Entscheidungen getroffen hat, u.a. da er eigenmächtig das maurische Königreich von Toledo angegriffen hat, das ein Vasall des kastilischen Königs ist, und da er zudem den Schwager des Königs, Graf Ordonez, düpiert hat, der sich mit Verleumdungen gegen Rodrigos rächt.

Allerdings findet Rodrigo schnell wieder einen Dienstherrn, den Muslim al Mu´tamin, den Herrscher des Staates Zaragoza. Er hat bereits früher Kontakt zu diesen gehabt. Der Herrscher von Zaragossa ist 1063 ein Verbündeter Kastiliens bei einem Feldzug gewesen.

Die in der spanischen Geschichtsschreibung häufig zu findende Trennung in brave Christen und gefährliche Muslime traf im Mittelalter keineswegs zu. Die Allianzen zwischen den Herrschaften wurden in der Regel nach realpolitischen Kriterien vorgenommen und nicht aufgrund der Religionszugehörigkeit. Erst später mit dem Eintritt der puritanischen und fanatischen Almoraviden und dem Vormarsch der Reconquista änderte sich dies.

Rodrigo kämpft nun fünf Jahre lang für das muslimische Zaragossa mit einer eigenen Söldnertruppe sowohl gegen Mauren als auch Christen, aber nie gegen seinen früheren Herren. Bei diesen Feldzügen ist er nicht nur siegreich, sondern er wird durch Plünderungen auch reich. Seine Erfolge bringen ihm den Respekt der Mauren ein, so dass diese ihn Al Cid („der Herr“) nennen.

Alfons VI. ist in dieser Zeit bei seinen Feldzügen ebenfalls sehr erfolgreich und kann 1085 Toledo einnehmen. Die Taifa-Fürstentümer rufen nun die Almoraviden in Nordafrika zur Hilfe. Dadurch änderten sich die Machtstrukturen in Hispania. Die Almoraviden, eine fanatisch-religiöse Berberdynastie aus dem Norden Afrikas, die nach Spanien vordringen, schlagen das Heer von Alfons in der Schlacht von Sagrajas vernichtend. Gerade 100 christliche Ritter und der verwundete König können sich retten. So kommt es zur Annäherung zwischen Rodrigo und dem König, der dringend einen erfolgreichen Feldherrn benötigt. Er hebt die Verbannung Rodrigos auf und gesteht ihm das Privileg zu, alle Gebiete, die er von den Mauen einnimmt, als erbliches Lehen zu behalten. Aber das Bündnis zwischen Alfons und Rodrigo hält nicht lange.

By Té y kriptonita - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4774388

Eroberung Valencias

In der Folge beginnt Rodrigo seine Strategie, das muslimische Königreich Valencia unter seine Herrschaft zu bringen. Nach Siegen gegen den christlichen Grafen von Barcelona und die muslimischen Almoraviden erobert er nach dreijähriger Belagerung 1094 Valencia.  Offiziell verwaltet nun El Cid Valencia als oberster Richter und Herr (Señor) für König Alfonso VI, aber faktisch hat der König dort nichts zu sagen.

Zunächst ist El Cid gleich streng und gerecht zu den muslimischen und den christlichen Einwohnern Valencias. Er regiert die Stadt mit Hilfe jüdischer Beamten aus Valencia. Aber im Laufe der Zeit wird sein Regiment doch rigider. Gegner des Regimes werden der Stadt verwiesen und müssen sich außerhalb der Mauern in der Vorstadt Alcúdia ansiedeln, während wohlhabende Parteigänger des Cid ihre Besitzungen und innerstädtischen Häuser behalten dürfen. Zeitgleich wird der Status des Cid zum „Prinzen“ aufgewertet, weil seine Töchter in einflussreiche Familien einheiraten. 

In der Zeit seiner Herrschaft in Valencia gelingt es Rodrigo mehrmals die bislang unbesiegten Almoraviden zu besiegen und so sein Reich, das ja von feindlichen Territorien umgeben ist,  zu sichern. In den Augen von immer mehr spanischen Christen wird der Ritter, der gegen alle Wahrscheinlichkeiten eine Stadt tief im Feindesgebiet hält, zu einem Streiter Gottes, der im Namen des Kreuzes gegen den Islam zu Felde zieht.

Im Jahr 1099 stirbt er wohl nach einer Pfeilverletzung. Auch um seinen Tod rangt sich eine Legende. Angeblich nimmt er seinen Gefolgsleuten auf dem Sterbebett das Versprechen ab, den Feind erneut anzugreifen. Seinem Wunsch entsprechend bindet man den sorgfältig geschminkten Leichnam vor der Schlacht in voller Rüstung aufs Pferd. Sein Hengst Babieca trägt den Toten mit dem Schwert in der Hand ins Getümmel voran. Auf diese Weise motiviert, errangen seine Leute einen glänzenden Sieg über die von der Erscheinung des Totgeglaubten erschreckten Berber. Die ganzen Mühen und Bestrebungen des Cid um Valencia sind allerdings auf Dauer vergeblich. Seine Witwe konnte die Stadt noch drei Jahre gegen die Übermacht der Almoraviden halten. Als sie aufgeben muss, greift Alfons in die Auseinandersetzungen ein. Gegen die Übermacht der Mauren lässt der Monarch die Stadt in Flammen aufgehen, um sie nicht den Feinden zu überlassen, ehe er mit Jimena, dem Leichnam El Cids und seinem Gefolge den Rückweg nach Kastilien antritt. El Cid und seine Gemahlin werden in der Kathedrale von Burgos beigesetzt. Schon zur damaligen Zeit verbreitet sich von den Schreibstuben der iberischen Klöster ausgehend der Mythos von “El Cid” – dem loyalen Untertanen und Helden der Christenheit.

Chronik aus dem 16. Jh. Public Domain, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=23298444

Der Mythos El Cid

Für die einen ist er ein skrupelloser Opportunist, dem es vor allem um Ruhm und Reichtum geht. Für die anderen ist er das ritterliche Idol des Mittelalters, ein selbstloser Streiter für die christliche Sache, der Kämpfer für die Reconquista — also ein Held des christlichen Spaniens. Diese letzte Vorstellung ist wohl die, die sich durch die Literatur zu El Cid verfestigt hat. Es ist interessant und  auch irgendwie überraschend, dass man von diesem „spanischen Helden“ erzählt, aber trotzdem den Namen, den die Araber ihm gegeben haben, „El Cid“ ( Der Herr) beibehält und weniger den spanische Ehrentitel „El Campeador“ (Meister des Schlachtfeldes). Er war auf jeden Fall der Meister wechselnder Allianzen und somit ein Symbol für diese verwirrenden Jahrhunderte Spaniens, in denen sich die Grenzen und die Tributpflicht der Emirate und der christlichen Fürsten vielfach veränderten.

Im 12. Jahrhundert kommt das epische Gedicht „El Cantar de mio Cid“ auf, in dem der Cid erstmals namentlich erwähnt und zum Helden des Kreuzzugs gegen die Moslems stilisiert wird. Die mündliche Überlieferung soll im Jahr 1140 entstanden sein, die ein Pere Abat dann 1207 zu Papier gebracht hat, welches aber verschollen ist. Eine Abschrift namens Poema del Cid datiert aus dem Jahr 1235 oder 1309. Sie gehört zu den ältesten und wichtigsten literarischen Werken Spaniens und wird in der Spanischen Nationalbibliothek in Madrid aufbewahrt.

In dem Werk wird der Cid als die Idealfigur spanischen Rittertums verherrlicht und (unhistorisch) als Verfechter oder Vorreiter der Kreuzzugsidee dargestellt. Deshalb wird großzügig darüber hinweggesehen, dass der Cid lange Zeit im Dienste maurischen  Fürsten stand, denn er soll als Verteidiger der Christenheit und als Sieger über die Mauren erscheinen. Das Heldenepos ist eines der großen Werke der spanischen mittelalterlichen Literatur und macht mengenmäßig mehr als die Hälfte der überlieferten spanischen Heldenepik aus. Ab dem späteren Mittelalter wird der literarische Stoff des Cantar zum Sujet  einer Vielzahl von nachgedichteten Ritterromanen, Chronistenberichten und Erzählungen.

Der Stoff und die Figur des Cid beschäftigte Autoren und Komponisten (Il gran Cid von Niccolo Piccini 1766, Die Infantin von Zamora von Johann AndréIl gran Cid von Giovanni Paisiello 1775, Der Cid von Théodore Gouvy 1862, Le Cid von Jules Massenet 1885 und Rodrigue et Chimène von Claude Debussy 1893) bis in die jüngste Zeit hinein. So veröffentlichte auch Herder 1805 eine Ballade über den spanischen Ritter , die besonders in der Romantik großen Anklang fand. In Spanien erschien 1929 das viel beachtete historische Standardwerk La España del Cid (deutsch Das Spanien des Cid, München 1936–1937) des Philologen und Historikers Ramón Menéndez Pidal (1869–1968). Trotz seines wissenschaftlichen Ansatzes trug er mit seinem teilweise verklärten Blick stark zur Überhöhung der Figur zum “Nationalhelden” und zum Weiterleben der Vorstellung von El Cid als einem ritterlichen Helden „ohne Furcht und Tadel“ bei.

Das Leben Rodrigos wurde bislang zwei Mal verfilmt. 1910 drehte Mario Caserini seinen “Il Cid”. Weitaus bekannter ist der von Anthony Mann im Jahre 1961 gedrehte Historienfilm El Cid mit Charlton Heston und Sophia Loren in den Hauptrollen. Im April 2005 kam der spanische Zeichentrickfilm El Cid – Die Legende (2003, Originaltitel: El Cid: La Leyenda) in die deutschen Kinos. Für Prime Video entstand 2020 die fünfteilige Serie El Cid als Geschichtsdrama. 2021 kam die Fortsetzung in einer 2. Staffel, ebenfalls bestehend aus 5 Folgen.

Die Vorstellung: „El Cid kämpfte nie für persönlichen Reichtum oder Ruhm, er kämpfte um die Vergebung seines Königs und für seine Ehre“ wird in all diesen Darstellungen reproduziert.  Dass dies offensichtlich wenig mit der historischen Wirklichkeit zu tun hat, interessiert dabei kaum. So wird der Mythos „El Cid“ bis in die heutige Zeit weiter verfestig

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