Avilés - ein Stadt auf der Suche nach einem neuen Image

Camino del Norte

Avilés ist nach Gijon und Oviedo mit knapp 76.000 Einwohner die drittgrößte Stadt Asturiens. Die Stadt, bis heute ein wichtiger Fischereihafen, verfügt zwar über eine beschauliche Altstadt, aber sie verlor infolge des Booms der Metallindustrie in den 50er Jahren viel von ihren Reizen. Stahlfabriken, Aluminium- und Zinkwerke brachten Avilés zeitweise den Ruf ein, eine der am stärksten verschmutzten Städte in Spanien zu sein.

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Geschichte

Das älteste bekannteste Schriftstück ist eine Urkunde aus dem Jahre 905, in der der asturische König Alfons III. bestätigt, dass er die Stadt Abilies (= Avilés) samt zweier Kirchen dem Dom zu Oviedo schenkt. Oviedo war im 9. Und 10. Jh. die Residenz der asturischen Könige.

Im Mittelalter befand sich in Avilés einer der wichtigsten Häfen im Golf von Biscaya, der hauptsächlich dem Handel mit Frankreich diente. Während dieser Zeit gab es hier zwei Stadtteile: Ein Fischerviertel mit dem Namen Sabugo sowie ein aristokratisches Zentrum mit dem Namen La Villa. Die Stadtteile waren durch den Fluss  Alvares voneinander getrennt.

Ein Teil der Flussmündung wurde im 19. Jahrhundert begradigt, um die Verbindung beider Stadtteile zu ermöglichen. Danach expandierte die Stadt auch außerhalb der Stadtmauer, die mittlerweile abgerissen worden war. Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich in Avilés alles, denn hier begann ebenso wie im Baskenland und in Katalonien die Industrialisierung Spaniens. Im Laufe des 20. Jahrhunderts gewann die Stadt immer mehr an Bedeutung, was auch an der Förderung der autarken industriellen Produktion des faschistischen Franco-Regimes lag, welches die große Stahlfabrik aufbaute und so für eine Verdopplung der Bevölkerungszahl im Zeitraum von 1950 bis 1970 auf 80.000 Einwohner sorgte.

(In der ersten Phase nach dem Bürgerkrieg strebte das Franco-Regime einerseits die Industrialisierung Spaniens an und versuchte andererseits, eine möglichst weitgehende Autarkie herbeizuführen. Neben der ideologischen Ansicht, dass die Wirtschaft sich in den Dienst am Vaterland zu stellen habe, war die Autarkiepolitik angesichts der politischen und wirtschaftlichen Isolation des Landes (Spanien wurde vom Marshall-Plan ausgeschlossen) in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auch aus der Not geboren.)

Das rasche Bevölkerungswachstum lässt sich auch am Stadtbild erkennen, denn das Franco-Regime ließ die Immobilien nach Ranghöhe der Fabrikarbeiter errichten; so waren für einfache Arbeiter Wohnungen, für Ingenieure oder höhere Mitarbeiter große Appartements oder kleine Einfamilienhäuser und für die Firmenbosse Villen errichtet worden. Doch verbrachten die Fabrikarbeiter angeblich kaum Zeit zuhause, da die Fabrik von Schulungs- bis hin zu Sportangeboten alles bereitstellte.

Diese Idylle währte jedoch nicht lange, denn die 70er-Jahre brachten zwei große Schocks mit sich: zum einen zog die Industriekrise in Spanien ein und sorgte für einen Einbruch der Stahlproduktion, zum anderen starb auch der Avilés-Förderer Francisco Franco im Jahre 1975. Die neue demokratische Regierung Spaniens war aufgrund der Krise dazu gezwungen, die Stahlfabrik an den indischen Konzern Tata Steel zu verkaufen. Wenige Jahre später war die Industrieperle Avilés Geschichte und man begann sich Gedanken zu machen, wie man dieser Stadt aus der Krise helfen und ein neues Gesicht verleihen könnte.

Der erste Schritt lag darin, neue Industrie anzusiedeln. Hierfür wurde durch Bundes-, Landes- und Stadtmittel (ab 1986 auch EU-Mittel) der neue P.E.P.A.-Industriepark auf den Ruinen der ehemaligen glorreichen Stahlfabrik gebaut. Hier sollten sich auch kleine Industriebetriebe ansiedeln. Doch bis heute sind die meisten Flächen des riesigen Areals allerdings ungenutzt und P.E.P.A erweist sich mehr und mehr als Millionengrab und Schaden für das Stadtbild.

Durch den geringen Erfolg dieser ersten Maßnahme entschied man sich in einem zweiten Schritt auf Service- Dienstleistungen zu setzen. Hohe Investitionen flossen ab den 1980ern in das Stadtzentrum, dessen Fassaden aufwändig restauriert wurden. Neue kleinen Parkanlagen entstanden.

Von Xareu bs - foto tomada por Jose Luis Blanco, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3423181

Sehenwürdigkeiten in der Altstadt

Neben dem schönen Hauptplatz Plaza de España gibt es gleich mehrere echte Hingucker in Avilés: Die Franziskanerkirche Iglesia de los Padres Franciscanos (13. Jh.) mit der Kapelle der los Alas genauso wie die Grünanlage Parque del Muelle mit einer Statue von Pedro Menéndez de Avilés (1519-1575), dem ersten Gouverneur von Florida in den USA.

Daneben kann man die Kirche San Nicolás de Bari aus dem 14. Jahrhundert, eine der ältesten Kirchen der Stadt mit einem schönen Kreuzgang, schöne Brunnen, eine Keramikschule erster Güte, das angesehene Theater Palacio Valdés, alte Herrenhäuser zurückgekommener Cuba-Emigranten sowie ein schönes Beispiel für die alten Stadtpaläste in Avilés, der Palacio de Camposagrado im Stil der Renaissance besichtigen. Zudem gibt es zahlreiche schöne kleine Altstadtgassen. Hier ist u.a. die Calle Galiana zu nennen, in der sich unter den vor Sonne und Regen Schutz bietenden Arkaden Bars und Restaurants aneinanderreihen. Hier liegt eines der beliebtesten Ausgehviertel der Altstadt, dekoriert mit einigen schönen Jugendstilhäusern.

Nach dem Vorbild des rund 300 km östlich gelegenen Bilbaos bekam Avilés auch ein neues, spektakuläres Wahrzeichen: für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag wurde 2011 an der Ría de Avilés ein vom brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer entworfenes Kunstzentrum eingeweiht. Auf die Ambitionen und Hoffnungen, die mit dem Projekt verbunden waren, gehe ich unten genauer ein.

Von HombreDHojalata - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20481361 Palacio de Camposagra
Galiana Straße

Niemeyer Zentrum

Eine monumentale Vision für die Zukunft und ein beschwingtes Signal zum Aufbruch hat ein lateinamerikanischer Baukünstler in der erschöpften Industriestadt Avilés hinterlassen. Abgewrackte Lagerhallen und ärmliche Wohnblocks bilden die Kulisse, Hafenkräne stehen arbeitslos herum, am Kai machen rostige Frachter fest – und ausgerechnet in einem solchen Milieu hat Oscar Niemeyer seinen avantgardistischen Entwurf für ein Kulturzentrum verwirklicht. Es war eines der letzten Werke des greisen Architekten und sein größtes Projekt in Europa überhaupt. So genial und mutig wie der brasilianische Altmeister der modernen Baukunst muss man schon sein, um einem derart abweisenden Umfeld Paroli zu bieten. Auf einer Art Insel im Fluss gegenüber der Altstadt hat er seine Gebäude errichtet.

Dabei ist seine Handschrift unverkennbar: Bögen und Kurven, Spiralen, Wellen und kühne Schwünge bestimmen das Ensemble, das vier Gebäude umfasst: eine kuppelförmige Ausstellungshalle, einen gläsernen Turm mit Restaurant, eine langgestreckte Mehrzweckhalle und als Krönung ein Auditorium mit schwungvoll skizzierten Konturen. Fast alle Fassaden hat der Architekt in Weiß gehalten, nur das Auditorium hebt sich mit optimistischen gelben und roten Tupfern ab. (bei so viel Weiß bei Sonnenschein eine Sonnenbrille anziehen!) Zum Glück hat Oscar Niemeyer sein Projekt nicht als isolierte kulturelle Insel installiert, sondern zugleich eine Brücke geschlagen ins Zentrum der Stadt auf der anderen Seite des Flusses – mit einer Fußgängerbrücke, die sein Bauwerk mit der historischen Altstadt von Avilés verbindet.

Mit dem Niemeyers Projekt sollte nach dem erfolgreichen Modell des Guggenheim Museums in Bilbao auch in der sterbenden Industriestadt Avilés ein architektonischer Blickfang und kultureller Magnet geschaffen werden, mit dem man Hunderttausende von Besuchern anlocken wollte. Bei seiner Eröffnung im Frühjahr 2011 erhielt das Centro Niemeyer dann auch überschwängliches Lob von allen Seiten. König Juan Carlos wohnte der Zeremonie bei, Woody Allen spielte mit seiner New Orleans Jazz Band und versprach, sich in Zukunft um das Filmzentrum zu kümmern. Brad Pitt und Kevin Spacey sagten ihre Zusammenarbeit zu, Paulo Coelho und Mario Vargas Llosa kündigten Lesungen an, Kooperationen mit dem Pariser Centre Pompidou, der New Yorker Carnegie Hall und der Oper von Sydney waren im Gespräch.

Doch dann kam alles ganz anders: Streitereien zwischen den Betreibern des Zentrums, der Stadtverwaltung und der Regionalregierung von Asturien führten schon ein halbes Jahr nach der Eröffnung zum Chaos: Die Aktivitäten wurden zunächst teilweise eingestellt, der Komplex dann ganz geschlossen, anschließend vorübergehend unter anderem Namen neu eröffnet. Inzwischen funktioniert er wieder als Centro Niemeyer, allerdings auf Sparflamme. Die Ausstellungen haben kein internationales Niveau, Konzerte und Filme stehen nur unregelmäßig auf dem Programm, die Besichtigung der Innenräume ist beschränkt. Niemand wundert sich deswegen, dass die erwarteten Besuchermassen ausbleiben; vom „Guggenheim-Effekt“ jedenfalls ist nicht viel zu erkennen. Wenn nicht schnell gehandelt wird, könnte Oscar Niemeyers Bauwerk zu einem traurigen Monument kommunalen Größenwahns werden. Und das hat Asturien nun wirklich nicht verdient. (s. das Kapitel „Jakobsweg meets avantgardistische Architektur“)dem

Von SurfAst - Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14935056

Resumee

Alles in allem aber muss man in Avilés im Gegensatz zu den hohen Erwartungen leider von einem Negativ- statt einem Positivbeispiel sprechen. Man hat versucht, einige sicher gute Ideen umzusetzen, diese hatten oder haben aber in der Praxis offensichtlich keine Chance, die gewünschten oder beabsichtigten Wirkungen zu erzielen. Avilés hat, trotz seiner angedeuteten Potenziale, die Industriekrise somit nie richtig verkraftet und muss sich noch immer mühen einen angestrebten Strukturwandel erfolgreich umzusetzen.

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