Eine kleine Geschichte des Walfangs an der Nordküste Spaniens

Camino del Norte, Camino Primitivo

Vielleicht ist Euch auch schon aufgefallen, dass zahlreiche Dörfer an der Nordküste in ihrem Wappen einen Wal dargestellt haben. Die Frage ist allerdings warum? Nein, sie waren nicht ein Symbol für Größe oder Stärke (wie der Löwe z.B. in Deutschland), sondern sie waren über Jahrhunderte eines der wichtigsten Alltagsgüter!

Walfang an der Nordküste Spaniens

Nur wenige Seemeilen vor der Nordküste, von den Häfen und Stränden entfernt, bewegen sich bis heute Wale, die größten Säugetiere der Welt. Allerdings direkt vor der Küste – wie bis vor 120 Jahren – sind die Wale nicht mehr zu finden.

Nordspanische Fischer hatten als erste das riesige Potential der vor den Küsten schwimmenden Fett- und Proteinquellen erkannt und schon im 11. Jahrhundert mit dem Walfang begonnen. Vor allem die langsam schwimmenden Bartenwale wie Nordkaper, Buckelwale und Grauwale des Ostatlantiks waren leicht erreichbar. Die Jagd dieser Meeresriesen war Jahrhunderte lang eine wesentliche Grundlage für die Volkswirtschaft der spanischen Regionen entlang der Biskaya und maßgebend für die Entwicklung der Fischerorte an der Nordküste. Viele der repräsentativen Häuser in den Fischer- und Touristendörfern an der Küste sind auf den Reichtum aus dem Walfang zurückzuführen.

Von Archival Photograph by Mr. Sean Linehan -

Die bloße Erscheinung der Wale ruft heute große Begeisterung und Faszination hervor. Wir bewundern diese großen Meeressäuger und versuchen, sie zu schützen und zu erhalten. Zwischen dem 11. und dem 18. Jahrhundert allerdings waren sie ein hochgeschätztes und teures Alltagsgut.

Wenn Wale von verschiedenen Wehrtürmen gleichzeitig gesichtet wurden, setzten sich aus den entsprechenden Küstenorten die Ruderer zu gleicher Zeit in Bewegung, es entstand eine heftige Konkurrenz. Dutzende von Fischern warfen sich in ihre Txalupa-Boote und ruderten gegen die Wellen und gegen die Zeit. Denn nur wer zuerst ankam, und dessen Harpune getroffen hatte, dem gehörte die wichtige Beute. Wenn sich also verschiedene Txalupa-Boote dem Wal näherten, ruderten sie so schnell es auch nur ging. Konsequenz waren häufige Streitereien zwischen den Nachbardörfern. Denn genaue Grenzen im Meer gab es nicht.

Der relativ große Gewinn, der beim Walfang zu machen war, war für die Seeleute der Ansporn, sich zur Jagd in die Boote zu werfen. Ein Teil der Gewinne mussten den Landherren entrichtet werden und auch die katholische Kirche bekam ihren Teil ab.Abgesehen vom hohen Verdienst war der Walfang alles andere als ein Zuckerschlecken. Im Gegenteil, es bedeutete akute Lebensgefahr,

Es wurden vor allem die Franca-Wale gejagt, die Eubalaena Glacialis oder Glattwale. Diese Glattwale waren vor der gesamten „kantabrischen Küste“ heimisch. Diese „Cornisa Cantabrica“ erstreckt sich von der Grenze zu Frankreich über die baskischen Provinzen Gipuzkoa und Bizkaia und die beiden Regionen Kantabrien und Asturien bis nach Galicien. Irgendwann wurden die Tiere seltener, weil zu viele erlegt wurden. Lange, wenn auch in beschränktem Umfang ging der Walfang auch an der Küste weiter, bis 1901 vor der Hafenstadt Orio in Gipuzkoa das letzte Exemplar eines heimischen Wals gefangen wurde.

Von Hines, Bob - WO-ART-81-CDHines1Derived from the following image: United States Fish & Wildlife Service, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=422334

Wale im Stadtwappen

Über die Jahrhunderte lange Tradition ist der Walfang für viele Orte der Nordküste zu einem Symbol geworden, das bis heute präsent ist. Die Bevölkerung vieler Küstenorte lebte vom Walfang und der daraus resultierenden Verarbeitung. Aus diesem Grund wurden die Walfische in einigen dieser Anliegerorte ins Stadtwappen aufgenommen, um ihre Bedeutung in den mittelalterlichen Gesellschaften zu würdigen.

In Bizkaia (mit Bilbao als Hauptstadt) haben Bermeo, Lekeitio und Ondarroa den Walfisch in ihren Wappen. In Kantabrien erscheint er im Symbol von Castro Urdiales. In Gipuzkoa (mit San Sebastian als Hauptstadt) ist der Meeressäuger in den Wappen von Hondarribia, Zarautz, Getaria und Mutriku zu finden.

Von Heralder - and [1] and Image, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32699544 Wappen von Hondarribia
Von Heralder - [1][2], CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40370168 Wappen von Zarautz

Nutzung der Tiere

 Wie kaum ein anderes Beutetier konnten Wale komplett verwertet werden, kein Teil des wertvollen Fangs blieb ohne Nutzung.

Das Walfett war eine wertvolle Beute, die in Öl umgewandelt wurde, das legendäre Saín-Fischfett. Dieses Saín war eine ideale Flüssigkeit, um Uhren zu ölen. Vor allem aber diente es dazu, die Straßenlampen in halb Europa am Leuchten zu halten. Das Besondere an jenem Öl war, dass es keinen Geruch hinterließ und keinen Rauch produzierte. „Ein Fass mit 200 Litern wurde für umgerechnet 5.000 Euro verkauft.

Das Fett wurde zudem zur Herstellung von Kosmetik und Medikamenten verwendet. Die großen Knochen kamen als Balken bei Baugerüsten zum Einsatz, außerdem wurden sie zur Herstellung von Möbeln benutzt. Die Barten aus dem Walmaul waren elastisch, deshalb wurden aus ihnen Sonnenschirme und Kämme gemacht, auch Korsette in Form von Fächerstäben. Letztere werden heute aus anderen Materialien produziert, dennoch werden sie nach wie vor „Walbein“ genannt.

Doch war aus dem Walkörper noch anderes nutzbar. Das Sperma war ein teurer Rohstoff, um Salben und Balsam herzustellen. Auch das Fleisch selbst wurde verzehrt, zwar nicht im Baskenland, hier wurde es nicht konsumiert. Zu seiner Konservierung wurde es gesalzen und exportiert, vor allem nach Frankreich. Kostbarster Teil des Walkörpers überhaupt war die Zunge. Hochgestellte Persönlichkeiten pflegten sie zu verspeisen, sie ließen sich direkt beliefern.

Von HgrobeVektorisierung: Mrmw - Eigenes Werk, basierend auf: Whale products-d hg.png:, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=101193521

Ausdehnung der Fanggebiete

Nachdem die Populationen vor der eigenen Küste dezimiert war, weitete man die Jagd auf die arktische Region aus. Es kamen Nachrichten aus Kanada, aus dem Gebiet von Terranova (Neufundland). Dort sollte es Mengen von Kabeljau geben (bask: makailaoa, span: bacalao). Viele Fischer beschlossen, dorthin zu fahren, nicht zuletzt, weil sie keine andere Wahl hatten. Eher zufällig wurde entdeckt, dass es dort oben im Nordwesten auch Wale gab. Mit schnelleren Schiffen und besseren Fangmethoden wurden ab dem 19 Jh. die großen und schnellen Blau-, Finn- und Seiwale gejagt und proportional zu ihrer Größe dezimiert. In zwei Jahrhunderten wurden rund 20.000 dieser Säuger erlegt. Die Fischer zogen im Frühjahr los und kamen vor dem Winter wieder zurück. Sie fischten in Neufundland aber auch in den Meeren Richtung Island. Man muss ehrlicherweise anmerken, dass es also die Europäer waren, die zum großen Teil an der massiven Dezimierung der Wale beteiligt waren!

Heutige Situation des Walfangs und die Probleme des Klimawandels

Seit 1948 wurde der Walfang mit der Einrichtung der internationalen Walfangkommission stark eingeschränkt und 1986 auf Null gesetzt. Heute fangen drei Nationen weiter Großwale (über 10 m Länge), die sich der Kommission nicht angeschlossen haben bzw. wieder ausgetreten sind: Island und Norwegen und seit Ende 2018 auch Japan. Extra geregelt und meist gar nicht erwähnt wird dabei der Fang der kleineren Arten.

Eine Bedrohung der Walpopulation stellen heute vor allem der Klimawandel und die Meeresverschmutzung dar. Durch den Klimawandel wird es zu Veränderungen der Wassertemperatur, des Meeresspiegels, der Meereisbedeckung, des Salz- und Säuregehaltes des Meerwassers, der Niederschlagsverteilung, der Windgeschwindigkeiten und des Wellengangs kommen. Die exakten Auswirkungen dieser Veränderungen auf das Leben der Wale sind nur schwer vorauszusagen.

Auf einige Klimaveränderungen, wie zum Beispiel den Temperaturanstieg reagieren die Meeressäuger direkt mit Veränderungen in ihrem Verbreitungsgebiet. Einige Arten verlassen ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet und weichen in andere Gebiete aus. Aber nicht alle Walarten können sich so den veränderten Bedingungen in ihrem Lebensraum entziehen.

Der Klimawandel wird aber auch indirekte Auswirkungen auf die Wale haben; wie eine verstärkte Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Umweltverschmutzungen. Auch Veränderungen in der Häufigkeit und Verteilung der Nahrungsressourcen, werden vor allem Walarten beeinträchtigen, die auf bestimmte Nahrung spezialisiert sind.

Wale sind neben dem Klimawandel jetzt schon zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt durch die Verschmutzung der Meere, chemische Abfälle und Lärm, industrielle Fischerei, Zusammenstöße mit Schiffen, militärische Aktivitäten, Veränderungen ihrer Nahrungssituation durch die Einführung fremder Arten und durch die Netze der Fischereiflotten, in denen sie oft ungewollt als Beifang verenden.

Warum sind Wale wichtig für Klima und Umwelt?

Der Schutz der Wale ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, denn Wale spielen eine wichtige Rolle in den marinen Ökosystemen. Ihre Ausscheidungen an der Meeresoberfläche dienen als Nährstoffe für Phytoplankton und Fische, bei ihren Tauchgängen befördern sie weitere Nährstoffe aus der Tiefe nach oben und wenn Wale sterben, ernährt ihr Körper zahlreiche Meeresbewohner. Die Wale speichern aufgrund ihrer Größe hohe Mengen Kohlenstoff. Außerdem entzieht das durch sie produzierte Phytoplankton der Atmosphäre CO2 und bindet es ebenfalls als Kohlenstoff.

Wie eine Studie hervorhebt, verbessern die riesigen Meeressäuger aufgrund ihrer langen Lebenserwartung langfristig die Stabilität der marinen Ökosysteme. Denn einige Walarten erreichen vermutlich ein Alter von etwa 100 Jahren und mehr. Allerdings schrumpfen die Bestände der großen Walarten wie Blau-, Grau- oder Buckelwal drastisch. Dies hat wahrscheinlich schon jetzt die Struktur der Ozeane verändert. Die Hoffnung besteht darin, dass weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet die unverzichtbaren Vorteile der Wale hervorheben und so auch den Walschutz und das Ansteigen der Walpopulationen fördern.

Von Rias_bajas_ES.svg: *Hidrogalicia_ES_color.svg: *Hidrogalicia_ES.svg: *Hidrogalicia_vertente_costa_da_morte.svg: Iagocasabiellderivative work: Edoarado (talk)derivative work: Edoarado (talk)derivative work: Edoarado (talk)derivative work: Edoarado (talk) - Rias_bajas_ES.svg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11969891

Blauwale in Galicien heute

Wie der Guardian berichtet, werden in Galicien jedoch seit 2017 wieder jährlich einzelne Blauwale gesichtet. Wissenschaft ist sich uneinig, ob dies ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.

Der Meeresbiologe Bruno Díaz vermutet, die Wale könnten zurückgekehrt sein, da sie sich immer noch an die Heimat ihrer Vorfahren erinnern. Neueren Erkenntnissen zufolge sind für Migrationsbewegungen von Walen offenbar weniger Umweltfaktoren als Erinnerungen ausschlaggebend. Der Meeresbiologe Alfredo López nimmt dagegen an, dass der Klimawandel die Wale nordwärts treibt. Das wäre ein schlechtes Zeichen, da es zeigen würde, dass die Erwärmung der Meere den Lebensraum der Blauwale zunehmend einschränkt.

Blauwale sind wieder in Galicien, da sie in spanischen Gewässern viel Krill finden.

Von Juli bis Ende Oktober ernähren sich die Blauwale vor der galicischen Küste von Plankton. Davon gibt es sehr viel in der Gegend der Rías Baixas. Rías Baixas (galizisch: Untere Rías, spanisch Rías Bajas) ist die Sammelbezeichnung für vier schmale, tief ins Land reichende Meeresbuchten im Südwesten von Galizien, die aus überfluteten Flusstälern hervorgegangen sind. Das Gebiet reicht vom Cap Finistere bis zur portugiesischen Grenze. Das aus den Tiefen des Atlantiks aufsteigende Wasser ist sehr kalt, was das Planktonwachstum fördert.

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