Santa Maria de Eunate – ein mystischer Ort

Via Tolosana

Die Kirche liegt im freien Feld ohne direkten Bezug zu einer Siedlung, einige Kilometer von dem Marktflecken Muruzábal entfernt und östlich von Puente la Reina, wo die beiden Jakobswege über die Pyrenäenpässe von Somport (Aragon) und von Roncesvalles zusammentreffen. Die kleine Kapelle ist irgendwie anders als andere Kirchen.

Die Kirche wurde Ende des 12. Jhs. im romanischen Stil mit mozarabischen Einflüssen erbaut. Es handelt sich um einen oktogonalen (achteckigen) Kirchenbau, wie er auch bei den Templern sehr beliebt war. Deren Vorliebe orientierte sich dabei an der Grabeskirche in Jerusalem. In den alten Archiven des Ordens taucht die romanische Kapelle leider nicht auf, so dass keine gesicherten Aussagen gemacht werden können Nicht geklärt ist die ursprüngliche Funktion als Taufkirche, Wallfahrtskirche oder Pilgerhospiz. Die offizielle Erläuterung findet man in der Broschüre der Tourismusbehörde. Für sie besagt eine weitaus glaubwürdigere These, auch unterstützt aus mittelalterlichen Dokumenten, ihre Entstehung verdanke Santa Maria de Eunate einer alten Bruderschaft von Einwohner aus den umliegenden Dörfern. Die Bruderschaft wird durchgängig als Eigentümer der Kapelle, dem dazugehörigen Gebäude sowie der darunter liegenden Grundstücke erwähnt, seit 1219 auch schriftlich dokumentiert. Sie blieb bis ins Jahr 1816 aktiv, als der letzte Bruder verstarb. Die Bruderschaft wurde 1997 wieder erneuert und zählt heute ca. 600 Mitglieder, die sich jedes Jahr ende Mai auf eine Wallfahrt nach Santa Maria de Eunate machen.

Die freistehende Kirche ist ein kompaktes Steingebäude mit einem harmonischen, zentralen oktogonalen Grundriss, der sich an der Ostseite zu einer halbrunden Apsis öffnet. Sie wird von einem oben offenen Arkadengang umsäumt, der zumindest jetzt nicht mehr mit der Kirche verbunden ist. Die Kapitelle sind stark beschädigt. es gibt Pflanzendekoration, kämpfende Löwen und das Bild bärtiger Männer, welches, wenn man es umdreht,  Dämonen  in Form von Ziegen mit langen Hörnern zeigt.

Der Arkadengang hat dem Bauwerk möglicherweise seinem Namen gegeben (baskisch: Eunate hundert Tore, hunderttorig), andere behaupten, es heiße „das gute Tor“ – je nachdem, wie man den Namen aus dem Baskischen herleitet.

Wie könnte es zu dem Namen gekommen sein? Natürlich hat diese winzige Kapelle keine hundert Türen. Zählt man die Bögen des Kreuzgangs als Pforten, so kommt man auf dreiunddreißig. Es heißt, die gläubigen Pilger sollen die Kirche barfuß dreimal umrunden, bevor sie durch die Hauptpforte eintreten und sich in die Mitte der Kapelle hinstellen, also 3 x 33 + 1=100. Dann sollen sie die Kapelle auf sich wirken lassen. Eine besondere Energie soll von hier ausgehen – einfach ein mystischer Ort.

Von Jule_Berlin from Berlin, Germany - Eunate, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4671186

Der Innenraum ist durch ein hohe Gewölbe charakterisiert, das von mächtigen Säulen gebildet wird, die aus den Ecken des Achtecks entstehen. In das Innere fällt ein mildes Licht durch die schmalen Alabasterfenster. Der Grundriss ist leicht asymmetrisch. Die Säulen und Bögen sind alle doppelt. Das Oktogon besitzt zudem zwei reich verzierte Portale. Außerdem befindet sich hier die Reproduktion der Jungfrau Maria von Eunate, die seit Baubeginn der Kirche als Beschützerin des Ortes gilt, zu deren Ehren die Bruderschaft gegründet wurde.

Dieses Kleinod lädt zum Verweilen ein, die äußere Form und der schlichte Innenraum stahlen eine tiefe Ruhe aus. Es ist einer jener Stätten, die den Pilger wieder einmal innehalten lässt und ihm einen tiefen Frieden geben kann. Genie de lieu nennen die Franzosen einen Ort, der etwas ganz Eigenes und Besonderes atmet.

Eine Anregung am Eingang der Kapelle:

Diese Mauern umfangen die Stille,
Dies ist Dein Ort zum Nachdenken,
Und hier kannst Du beten.
Öffne Deine Augen nicht nur wie ein Tourist,
Oder all Deine Sinne wie ein Pilger,
Öffne Dein Herz als ein Mensch auf der Suche.
Trete ein mit Bedacht und Respekt,
Zwischen diesen Steinen stecken unzählige Jahrhunderte ,
Jahrhunderte anhaltender Stille,
Und Jahrhunderte voller Gebete.

(frei übersetzt von Petra aus inreiselaune)

Von I, Vicky petereit, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2310209
Von I, Vicky petereit, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2310209

Wer Legenden mag, hier eine zur Kapelle Eunate, gefunden bei Petra in ihrem Blog „inreiselaune“, indem die Kapelle auch ausführlich beschrieben wird:

Die Legende um das fliegende Portal

Santa María de Eunate befand sich bereits kurz vor der Einweihung, als der Baumeister eine ominöse Mitteilung erhielt, die ihn umgehend zum Aufbruch zwang. Er bat seine Auftraggeber um Nachsicht und versprach eine baldige Rückkehr. Doch Tage und Wochen zogen ins Land, ohne eine Nachricht oder ein Lebenszeichen des Baumeisters. Der Abt wurde ungeduldig. Ihm lag sehr daran, das Gotteshaus endlich mit liturgischem Leben zu füllen. Da einzig das Portal auf seine Fertigstellung wartete, beschloss er diesen Auftrag in die Hände eines alteingesessenen Steinmetzes aus der Nachbarschaft zu vergeben. Der Jentilak, man nannte ihn so, weil er mit seiner Größe und seinen außerordentlichen Kräften dem Riesen aus der baskischen Mythologie ähnelte, erschuf innerhalb von nur drei Tagen ein künstlerisch einzigartiges Portal. Die Mönche waren begeistert und verschwendeten keinen Gedanken mehr an den abtrünnigen Baumeister.


Doch siehe da, nur kurze Zeit später kehrte dieser überraschend zurück, um sein angefangenes Werk zu vollenden. Beim Anblick des fertig gestellten Portals, stellte er den Abt zur Rede und verlangte die Einhaltung des abgeschlossenen Vertrags. Die Mönche berieten sich eingehend, waren sie doch mit dem jetzigen Portal überaus zufrieden. Andererseits fühlten sie sich verpflichtet, zu ihrem einst gegebenen Wort zu stehen. Sie boten dem Steinmetz deshalb folgenden Kompromiss an: Sollte er in der Lage sein, in derselben Zeit wie der Jentilak, ein neues Portal anzufertigen, wären sie bereit, es gegen das alte auszuwechseln. Nolens volens nahm der Baumeister den Vorschlag an.

Nach eingehender Begutachtung des mit Ornamenten und Figuren reich geschmückten Werkes seines Kontrahenten, verlor der Steinmetz jegliche Hoffnung den Auftrag der Mönche erfüllen zu können. Nur ein Zauber konnte ihm aus der ausweglosen Situation helfen.

Also wandte sich der Baumeister an eine Hexe, die ihm verriet, wie er den Mönchen fristgerecht sein Werk abliefern konnte. Sie hieß ihn, sich in der Johannisnacht an die Ufer des Río Robo zu begeben. Dort träfe er auf eine Schlange, die jedes Jahr die besonderen Mächte dieser Nacht für eine rituelle Waschung nutze. Diese Schlange, so erklärte die Hexe, würde einen Mondstein aus ihrem Schlund heraufwürgen und in Ufernähe ablegen. Diesen magischen Mondstein gelte es vorsichtig in einen goldenen, mit Wasser gefüllten Kelch zu legen. Das Wasser dürfe sich dabei auf keinen Fall bewegen. Danach müsse der Baumeister nur den nächsten Tag abwarten. Mit diesen Worten entließ die Hexe den verdutzten Mann.

Gesagt, getan. Alles spielte sich exakt so ab, wie die Hexe prophezeit hatte. Die Schlange erschien, spie den verführerisch weiß-bläulich schimmernden Mondstein aus, den der Baumeister aufsammelte und vor Ehrfurcht zitternd in dem mit Wasser gefüllten goldenen Kelch platzierte. Der Baumeister konnte noch beobachten, wie unter der Oberfläche des bewegten Wassers das Portal Formen annahm, als ihn eine plötzliche Müdigkeit überkam. Kaum hatte er sich niedergelegt, war er auch schon eingeschlafen.

Am nächsten Morgen weckten ihn lautstarkes Gemurmel und emsiges Treiben. Die gesamte Mönchsgemeinschaft hatte sich um ihn versammelt und bewunderte sein meisterlich gefertigtes Portal. Doch als alle genauer hinsahen, erkannten sie, dass es sich um eine exakte Kopie des bereits an der Kirche befindlichen Portals handelte. Mit einer Ausnahme, es war spiegelverkehrt. Als der Abt die Frage stellte, ob der Baumeister tatsächlich wünsche, dass man das Portal des Jentilak gegen sein Spiegelbild austauschen soll, geriet der Steinmetz außer sich vor Wut. Er versetzte seinem Werk einen kräftigen Tritt, sodass das Portal bis in den Nachbarort Olcoz flog, wo es noch heute die Kirche schmückt.

 

 

Von Josep Renalias - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3163691
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