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Geschichten auf dem Camino del Norte

Wir waren gerade in San Sebastian angekommen und liefen die Promenade entlang Richtung Jugendherberge. Da sprach uns plötzlich ein junger Mann an und fragte uns auf Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch, welche Sprache wir sprächen. Wir reagierten erst nicht und nahmen an, da wolle uns jemand anbetteln. So schritten wir zügig weiter. Der junge Mann ließ aber nicht locker, bis ich endlich – mehr um ihn loszuwerden – etwas ungnädig sagte “deutsch“. Da sprach er uns dann fröhlich an, er sei auch Deutscher und ob wir so wie er auch Pilger auf dem Jakobsweg seien. So kamen wir  ins Gespräch. Er kam aus Leipzig, hatte gerade sein Abitur bestanden und wollte dann auf Lehramt studieren und vorher eben den Camino del Norte gehen.

Er hatte uns angesprochen, da er auch gerade auf dem Weg zur Herberge war und da diese nicht ganz so leicht zu finden war, wollte er uns einfach begleiten und uns den Weg zeigen. Und das tat er auch und noch mehr. Denn als wir bei der Herberge ankamen, war diese schon voll besetzt. So verhandelte er mit der Dame an der Rezeption auf Spanisch, ob sie eine Lösung für uns hätte. Und wirklich, sie konnte uns eine Pension etwas außerhalb von Santander vermitteln und die Pensionswirtin war sogar bereit, uns mit dem Auto abzuholen. Nochmals vielen Dank Jan für Deine Hilfe!!! Denn die Hotelpreise an diesem Wochenende lagen in San Sebastian bei über 200.- €!!!

Und ich habe mir vorgenommen, mit meinen Vorurteilen vorsichtiger umzugehen und erst einmal zu überprüfen, ob der ein oder andere Mensch wirklich in die von mir vermutete Schublade gehört!

Das Pilgern ist hier eine gute Möglichkeit, trifft man doch die unterschiedlichsten Menschen. Jeder begegnet den Mitpilgern so, wie er ist. Es ist nicht wichtig, welche soziale Stellung man zuhause hat, sondern es geht um das Verhalten und die Erlebnisse im hier und jetzt. Es ist die Erfahrung des Gemeinsamen in der Unterschiedlichkeit der einzelnen Pilger. Es finden alle möglichen Arten von Interaktion statt, was wiederum zur eigenen Selbsterfahrung führen kann.

Es gibt schöne Sprüche dazu:

Es kommt niemals ein Pilger nach Hause, ohne ein Vorurteil weniger und eine neue Idee mehr zu haben!       Thomas Morus

Reisen ist fatal für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit.       Mark Twain

Wie funktionieren eigentlich Vorurteile?

Von klein auf lernen wir Menschen in Schubladen zu stecken. Diese Einteilungen helfen uns, die Welt zu ordnen und den Überblick zu behalten. Aber die Kategorisierung hat noch einen anderen Zweck. Sie teilt die Menschen in „wir“ und „die“ ein. Die Mitglieder der Eigengruppe werden geschätzt, die der Fremdgruppe meist distanziert betrachtet. Dann werden diese Schubladen, in die man die Menschen gesteckt hat, etikettiert, d.h. sie werden mit einer positiven oder negativen Bewertung belegt. So wird aus einem zunächst (meist) nur falschem Stereotyp ein Vorurteil. Vorurteile sind somit verallgemeinernde, voreilige, fehlerhafte, pauschalierende Urteile über Menschen.

Durch eine kritische Wahrnehmung und eine offene Einstellung lassen sich Vorurteile auch wieder abbauen. Aber leider haben Vorurteile die Tendenz sich zu verfestigen. Durch eine Zustimmung meiner Bewertung in meiner Eigengruppe kommt es zu einer ersten Verfestigung. Zudem stärkt das gemeinsame Vorurteil das interne Gemeinschaftsgefühl und die bewusste Abgrenzung nach außen. Man fühlt sich anderen gegenüber überlegen. Also warum sollte man an seiner Bewertung zweifeln! Zudem bemerkt man die negativen Zuschreibungen deutlicher und man schenkt ihnen mehr Aufmerksamkeit als jenen Vorkommnissen, die z.T. sogar häufiger und eigentlich positiv zu bewerten wären. Man stuft diese einfach als Ausnahmen ein und kann so sein Vorurteil behalten. Auf Grund dieser Prozesse besteht natürlich keine Notwendigkeit, das Vorurteil in Frage zu stellen. Somit kann es sich weiter verfestigen und es dann sehr schwer, solche Vorurteile aufzubrechen.

Was kann man tun?

  • in uns gehen und versuchen, unsere Vorurteile zu erkennen
  • Kontakte zu Menschen anderer sozialer Gruppen herstellen in positiven druckfreien Situationen
  • auf die eigene Ausdrucksweise achten. gerade auch wenn Kinder dabei sind
  • aber auch eine übertriebene Toleranz zu vermeiden, da der Fokus auf Andersartigkeit und nicht auf Gemeinsamkeit gerichtet ist
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