Der Begriff der „Romanik“ leitet sich von dem Wort „romanesque“ ab, das der Franzosen Charles Gerville (1769–1853) im Jahr 1818 wählte, um auf die Verwandtschaft der Romanik zur römischen Architektur hinzuweisen. Man unterteilt die Romanik in Frankreich dabei in die Frühromanik (1000-1080) und die Hochromanik (1080-1150).
Die Urform des romanischen Kirchenbaus orientiert sich an einem typisch römischen Profanbau: der Basilika. Die Kirche hat somit als Vorbild einen antiken Herrscherbau und sollte so zeigen, dass nun Christus der Herrscher ist. Die Form besteht meist aus einem mittleren Hauptschiff und zwei z.T. niedrigeren Seitengängen (Seitenschiffen). Hinzugefügt wurde mit der Romanik das Querschiff, das dem Grundriss die Form eines lateinischen Kreuzes verleiht. Das Kreuz galt als Hauptzeichen des Christentums. Zudem ist die Kirche in W-O-Richtung ausgerichtet. Zum einen war ja das Grab Christi vom Abendland aus gesehen im Osten. Zum anderen spielt das Licht eine besondere Rolle. Da im Osten die Sonne aufgeht und somit „Licht in die Dunkelheit“ bringt, liegt der wichtigste Teil der Kirche, der Chor, im Osten. Im Westen befindet sich die häufig prunkvolle Fassade mit meist drei Portalen und mit einem oder zwei Türmen.
Die Mauern tragen die ganze Last der Gewölbes und des Daches. Deshalb sind diese auch so dickwandig angelegt. Sie sollten auch möglichst wenig durch Öffnungen wie Fenster und Portale geschwächt werden. Die gewölbten Tür und Fensteröffnungen wurden also nicht nur aus ästhetischen Gründen gewählt. Die Rundungen haben vor allem eine große Bedeutung für die Statik. Durch die Aneinanderreihung der Bögen wird eine Wölbung gestaltet, die den Druck des darauf lastenden Daches abfängt und eine Einsturzgefahr verhindert oder zumindest stark minimiert. Je grösser die Bögen, umso massiver müssen die Stützen und Wände sein. Dadurch entsteht bei diesen Sakralbauten ein massiges, blockartiges, schweres und wuchtiges Erscheinungsbild.
Die Ausbildung dieser Gewölbeform war eine enorme Leistung mittelalterlichen Bauhandwerks. Zunächst zumindest arbeitete man ohne Baupläne und verlies sich auf die Erfahrung der Baumeister. Beim Errichten der Gewölbe wurden als Gerüst hölzerne Lehrbögen verwendet, die nach dem Setzen des Abschlusssteins wieder entfernt wurden. Dies war der entscheidende Moment, denn entweder hielten Gewölbe und Mauern den Seitenschüben und die Lasten stand oder alles fiel, einem Kartenhaus gleich, in sich zusammen. Monate-, oft jahrelange harte Arbeit wäre dann zunichte gemacht.
Die durch die Rundbögen erzielte Wölbung musste im Innenraum zusätzlich stabilisiert werden. Aus dieser Notwendigkeit entwickelte sich ein weiteres ästhetisches Merkmal der romanischen Architektur, der Stützwechsel. Die sich abwechselnden Säulen und Pfeiler, die als Stützen dienten, ließen zudem viel Freiraum für die Versammlung der Gläubigen, u.a. der großen Zahl an Pilgern innerhalb der Kirche. Während die Säulen die Gewölbelast abfingen, dienten die Pfeiler zur statischen Absicherung der Räume.
Zusätzlich zu den statischen Elementen müssen als sehr wichtige Elemente der Romanik die zahlreichen Verzierungen der Portale und Außenwände genannt werden. Man geht davon aus, dass die Arbeit der Steinmetze von handwerklichem Können aber auch von spirituellen Empfindungen getragen wurde. Viele dieser Künstler waren Mönche, die in den Werkstäten der Klöster ausgebildet wurden. So erklären sich die kunstvollen, eindringlichen und berührenden Ausschmückungen in den verschiedenen Kirchen innen und außen sowie in den Kreuzgängen.
Diese lassen sich u.a. anhand der politischen Situation in Frankreich erklären. Zwar gab es den französischen König, der in Paris residierte und regierte, allerdings hatte er nur wenig Einfluss auf seine adligen Vasallen. Diese verwalteten, fernab ihres Königs, recht eigenmächtig die ihnen unterstellten Gebiete und versuchten beständig, ihre Macht zu mehren. So wurde der Süden des Landes beispielsweise von den Grafen von Toulouse und den Herzögen Aquitaniens kontrolliert. Im Norden hingegen entstand unter dem Herzog der Normandie und Grafen von Anjou ein weiterer mächtiger Vasall des französischen Königs. Die Versuche, sich politisch von der Ile-de-France abzugrenzen, führten zu einer bewussten gesellschaftlichen Eigenständigkeit einzelner Gebiete, was sich auf die Kultur und damit auch auf die Baukunst der Regionen übertrug.
Die Romanik in Frankreich ist also weniger eine national homogene Epoche, sondern vielmehr ein Konglomerat verschiedener regionaler Stile, die sich im Laufe der Zeit gegenseitig beeinflusst und dadurch auch einander angeglichen haben. Da die Steinmetze aber – wie oben beschrieben – ihre Arbeiten in einem doch relativ begrenzten Raum verrichteten, zeigten einzelne Regionen jeweils ein etwas anderes Gesicht. So unterscheidet man in der Kunstgeschichte – was unseren Pilgerweg betrifft – eigene romanische Baustilrichtungen der Auvergne und Aquitaniens.
In der Auvergne finden sich zahlreiche Emporenhallen-Kirchen. Im strengen Sinne handelt es sich um Staffelhallen, weil ihre Mittelschiffe höher sind als die Emporengewölbe der Seitenschiffe. Diese Bauten sind oft im Mittelschiff tonnen- und in den Seitenschiffen Kreuzgrat gewölbt. Sie besitzen ein recht ausladendes Querhaus zwischen Langhaus und Chor, dessen Seitenschiffe mit unterschiedlichen Tonnenwölbungen ausgestattet sind. In der Literatur spricht man auch von einem “auvergnatischen Querriegel“.
In Aquitanien handelt es sich häufig um Kuppelkirchen ohne Seitenschiffe, deren Mittelschiff dafür aber umso breiter ist und der Länge nach von zwei bis vier Kuppeln ohne hölzernen Dachstuhl gedeckt wird.
In Südwestfrankreich mischen sich die Bauformen der angrenzenden Landschaften. Aber meist herrschen hier noch die Emporenhallen vor. Die Empore mit Vierteltonne als Gewölbeversteifung findet sich zuerst in Conques und in Toulouse in der größten noch erhaltenen romanischen Kirche der Welt, St.-Sernin.
Erst in der Gotik (bereits ab Mitte des 12. Jh. in Frankreich, in Deutschland erst später) entwickelte sich ein eher einheitlicher Stil ausgehend von Paris, bedingt auch durch die größere Bedeutung des französischen Königs (vgl. auch die Geschichte des 100jährigen Krieges) und die damit verbundene Zentralisierung der Landes.
Neben den regionalen Unterschieden ist zusätzlich jede romanische Kirche in ihrer Gestaltung einzigartig. Das ist zum einen bedingt durch kirchliche Strömungen. So sind die Kirchen der Zisterzienser auf Grund ihrer religiösen Einstellung in der Regel schlichter gehalten als die der Benediktiner. Zum anderen wirkten sich die künstlerischen Einflüsse in den verschiedenen Bauschulen, die unterschiedlichen geologischen Gegebenheiten des Baugrundes (Flachland oder Felsenklippe) und das unterschiedliche Baumaterial, das zur Verfügung stand (z.B. harter Granit, weicher Kalk – und Sandstein oder Pyrenäenmarmor) auf die Gestaltung der Sakralbauten aus. Im Mittelalter galt ja das Regionalprinzip, das heißt, man baute mit den Materialien, die einen in der näheren Umgebung zur Verfügung standen und vermied so i.d.R. lange Transportwege.
Viele der Steinmetze, die ja wahre Kunstwerke errichteten, haben sicher nicht daran gedacht, dass ihre Werke „für die Ewigkeit“ gebaut sind und auch heute noch – ca. 1000 Jahre später – mit ihrer Schönheit begeistern. Viele Elemente erscheinen uns geradezu modern, vor allem die klare Gliederung, die graden schlichten Linien und die einfachen figürlichen Darstellungen. So faszinieren uns nicht nur die großen Kathedralen sondern gerade auch die kleinen romanischen Dorfkirchen und es lohnt sich auf unserem Weg, auch diesen einen Besuch abzustatten.
Es ging den Steinmetzen und Baumeistern weniger um den eigenen Ruhm – sondern um die Ehre Gottes. Die Namen der Stifter, Domherren oder Bischöfe kennt man durch zahlreiche schriftliche Quellen, während über Steinmetze und Baumeister der Romanik heute fast nichts bekannt ist, da sie ihre Werke in der Regel nicht signierten. Dabei waren sie – auch die Steinmetze auf dem Lande – wahre Meister ihrer Kunst. Im Mittelalter hatte der Künstler als Einzelpersönlichkeit keine Bedeutung. Es waren ohne Zweifel hervorragende Handwerker und gesuchte Leute bei den Auftraggebern aber in gewisser Weise zumindest für uns heute gesichtslos.
Neben der baulichen Gestaltung hatten sie mit ihrer Arbeit den Auftrag, den Menschen das Evangelium näher zu bringen. Denn die Menschen vor allem auf dem Lande hatten meist keine Schulbildung und konnten weder schreiben noch lesen. So erzählen die verschiedenen Darstellungen – seien es die herrlichen Steinmetzarbeiten an den Portalen oder die Bilder an den Wänden der Kirche – Geschichten aus dem alten und neuen Testament. Dadurch wurde von den Mönchen und Künstlern eine neue bildhafte Erzählweise geschaffen. Während allerdings die Malerei der Romanik von geringerer künstlerischer Bedeutung war – körperlose Darstellungen und fehlende räumliche Perspektive dominierten – , entwickelte sich die Skulpturendarstellung zu einem beeindruckenden Bauelemente der Romanik. Die romanische Plastik bot den Künstlern durch die dritte Dimension die Chance, einen lebendigen und starken Ausdruck zu kreieren. Die außergewöhnliche Leistung beruht auf der Fähigkeit, die Figuren immer mehr als Körper zu begreifen. Waren die ersten Arbeiten noch eher flache Reliefs, so scheinen die Figuren der späteren Werke aus der Wand herauszuwachsen und die ganze Architektur zum Leben zu erwecken. Ihre Schöpfer hatten sich im Laufe der Zeit aus Steinmetzen zu beeindruckenden Bildhauerpersönlichkeiten entwickelt.
Die Plastiken strebten nicht nach realistischen Darstellungen und Proportion, sondern hatten einen meist christlichen Symbolgehalt zu erfüllen. Dramatische Szenen, dämonische Gesichter und Fratzen, eine starke Faltenausprägung der Gewandfigur sollten das Auge fesseln. Der ausgeprägte Kontrast zwischen Symbolen für Gutes und Böses war durchaus gewollt und berechnet. Das Ziel der Bauplastiken – zunächst vor allem an Fassaden und Portalen, später auch im Innenraum – war es einerseits die Geschichten des alten und neuen Testaments wiedergeben und andererseits den bösen Mächten den Zugang zur Kirche verwehren. Denn in der damaligen Vorstellung befand sich der Mensch permanent im Kampf zwischen heiligen und dämonischen Kräften. Betrachtet man die Gestaltung der Plastik im Zeitablauf der Romanik, so kann man feststellen, dass sich im Rahmen dieses Prozesses die Steinmetze zu Bildhauern entwickelten. Es existiert eine romanische Bildsprache, die in Europa beinahe einzigartig ist und deren Phantasievorstellungen fast grenzenlos zu sein scheinen. Das Spektrum reicht von der Darstellung des Gottes als Richter in der Darstellung des Jüngsten Gerichts bis hin zu den dämonischen Wesen und Fratzen in den Figurenkapitellen z.B. in den Kreuzgängen. Ergänzt wird dies durch die Funktion des Ornaments. So werden in zahlreichen Beispielen die Grenzen zwischen konkreten Darstellungen und abstrakten Schmuckformen aufgehoben. Oft liegt den ornamentalen Motiven ein tieferer Sinne in, der sich dem modernen Betrachter nur zum Teil erschließt. So werden z.B. die Rosetten auf den Säulen in Moissac als Feuerräder der Hölle interpretiert. Dass diese faszinierende Bilderwelt sowohl die mittelalterlichen Gläubigen als auch die modernen Betrachter in ihren Bann zieht, ist nur all zugut nachvollziehbar.
Bemerkenswert ist auch, dass die romanische Skulptur an Portalen und Kapitellen befestigt war und somit Jahrhunderte überdauerte. Es handelt sich um eine Kunstform, die, da sie unverrückbar war, so jedermann zugänglich und somit nicht elitär einigen wenigen vorbehalten war.
Stellvertretend für die romanische Plastik auf unserem Weg ist das südliche Portal mit dem Tympanon in Moissac benennen, das zu einem der Höhepunkte der romanischen Bildhauerei zählt. Es veranschaulicht das vierte Kapitel aus der Offenbarung des Johannes mit dem Hauptthema des Jüngsten Gerichts. Ebenso zu erwähnen ist der dortige Kreuzgang, der auf Grund seiner Vollständigkeit und seiner zahlreichen Skulpturen ein einmaliges Zeugnis romanischer Baukunst ist. Besonders zu erwähnen sind hier die vielen Figurenkapitelle, die etwa fünfzig Bibelstellen veranschaulichen.
Ein weiteres wunderschönes erhaltenes Tympanon der Romanik findet sich in Conques. Das Tympanon des jüngsten Gerichts erhebt sich über dem Westportal und zählt auf Grund seiner Größe und Originalität ebenfalls zu den Meisterwerken der romanischen Bildhauerkunst.
Neben den großen Meistern der Bildhauerkunst gab es auch eine große Schar an zweitklassigen Künstlern, deren Arbeiten aber für die Klöster aus wirtschaftlicher Sicht von großer Bedeutung waren. Jedes Kloster, das an einer der Pilgerrouten lag, besaß eigene Werkstätten. In diesen wurden Devotionalien und alle möglichen Arten von Souvenirs – Kruzifixe, Heiligenbilder, Heiligenfiguren etc. – hergestellt und dann an die Pilger verkauft – ein Phänomen, das wir ja auch heute (leider) noch in den bekannten Wallfahrtsorten zu Genüge wiederfinden.